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Ist der Durchmesser, also die Größe eines auffälligen Leberflecks, mehr als ein halber Zentimeter und scheint dieser zu wachsen, sollte diesem Pigmentmal besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Differentialstruktur kann man meist nur mit Hilfe einer Lupe bestimmen. Die Farbpigmente eines Leberflecks bilden in der Regel „Netzwerke". Diese können gleichmäßig oder auch unregelmäßig sein. Gefährlich sind Bereiche im Leberfleck, deren Strukturen (z. B. das Netzwerk der Pigmente) aufgehoben sind. Gelegentlich findet man dann auch kleine schwarze Punkte, Schollen und Streifen, sowie verschwommene, schlierige Farben, die die regelmäßige Farbpigmentstruktur stören.
Das „E" steht in der ABCD(E)-Regel für „Erhabenheit" oder „Evolution". Da viele Hautveränderungen auch erhaben sind und keine Bösartigkeit bedeuten müssen, ist dieser Aspekt etwas in den Hintergrund geraten. Wenn aber in der Gesamtschau des Pigmentmales Bösartigkeit zu erkennen ist und dieser Fleck auch erhaben ist, ist davon auszugehen, dass es sich schon um einen gefährlich dicken Tumor handelt. Ich halte den Buchstaben „E" für das Wort „Evolution" für besonders wichtig. Die Veränderung eines Pigmentmals in Richtung Asymmetrie, Größe, unscharfer Begrenzung, auffälliger Farbveränderungen und Veränderungen der Pigmentstrukturen sind ganz bedeutsame Anzeichen für die Dignität (Gutartigkeit oder Bösartigkeit) eines Pigmentmals.
Mit Hilfe der Hautlupe (Dermatoskop, Auflichtmikroskopie) kann man für jeden einzelnen Buchstaben Zahlen errechnen, die am Ende zusammen gezählt, den sogenannten Dermatoskopie-Punkwert (DPW) ergeben. Bei der Überschreitung eines Grenzwertes empfiehlt der Arzt seinem Patienten, den Leberfleck zu entfernen und feingeweblich untersuchen zu lassen. Diese Untersuchung (Dermatohistologie) gibt mit einer recht großen Sicherheit Auskunft darüber, ob ein auffälliger Leberfleck tatsächlich ein schwarzer Hautkrebs ist und, wenn ja, der Tumor gänzlich aus der Haut entfernt wurde. Außerdem können auch genaue Aussagen über die Tumordicke und über das Wachstum des Melanoms in das angrenzende Gewebe gemacht werden. Diese Aussagen sind wichtig für die Prognose (wie gefährlich ist der Tumor?) und für das weitere Vorgehen, wenn es sich herausgestellt haben sollte, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelt. Die Dicke des Tumors und das Wachstum in das Gewebe geben Anhaltspunkte dafür, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich schon Tochtergeschwülste aus dem Tumor heraus abgesiedelt haben. Je dicker der Tumor ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Absiedelungen gebildet haben. Häufig breitet sich der Tumor über die Lymphgefäße aus. Deshalb muss man bei tief wachsenden Tumoren die Lymphknoten in der Nähe des Melanoms genauer betrachten. Der erste Lymphknoten, auf den die Lymphbahnen zulaufen, wird „Wächterlymphknoten" genannt. Dieser kann mit Hilfe bestimmter Methoden identifiziert und z.B. aus der Leiste oder der Achselregion entnommen werden. Hier kann dann eine feingewebliche Untersuchung des Lymphknotens erfolgen. Falls sich im Wächterlymphknoten Töchtergeschwülste befinden, sollten sämtliche Lymphknoten in diesem Bereich operativ entfernt werden. Falls dies nicht der Fall sein sollte, bleibt einem Betroffenen diese schwere Operation mit ihren Begleiterscheinungen (z. B. Schwellungen des Armes oder des Beines aufgrund eines Staus der Lymphflüssigkeit im Gewebe, Lymphoedem) erspart.
Abschließend möchte ich die Kriterien der ABCD(E)-Regel noch einmal zusammenfassen: Die Asymmetrie (A) eines Pigmentflecks ist dann ein schlechtes Zeichen, wenn man eine oder mehr Achsen durch den Leberfleck ziehen kann, deren Flächen nicht deckungsgleich sondern asymmetrisch sind. Auch die unscharfe Begrenzung (B), wenn ein abrupter Abbruch des Pigmentmusters zu verzeichnen ist, gibt Anlass zur genauen Untersuchung. Die Farbe (C) spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Beurteilung von Leberflecken. Bedenklich sind mehr als zwei Farben, z. B. wenn sich zu hell- und dunkelbraunen Farben noch blaubraune, schwarze, rote oder weiße Farbschattierungen hinzu gesellen. Ein Leberfleck, dessen Durchmesser (D) größer als ein halber Zentimeter ist, sollte besonders kritisch betrachtet werden. Auch die Differentialstrukturierung (D) mit der Beurteilung des Farb- oder Pigmentnetzwerkes (strukturlose Areale, Punkte, Stollen, Streifen?) spielt eine Rolle bei der Beurteilung von der Gutartigkeit oder der Bösartigkeit von Leberflecken. Schließlich können auch noch die Erhabenheit (E) und die Evolution (E) für die Beurteilung mit hinzugezogen werden. Eine langsame oder auch eine schnelle Veränderung des Aussehens eines Pigmentmales gibt grundsätzlich zu denken und sollte so schnell wie möglich zu einem Hautarzt führen.
Insgesamt ist es wichtig, festzustellen, dass die Gesamtschau der ABCD(E)-Regel zu betrachten ist. Das heißt, dass es durchaus so sein kann, dass ein Leberfleck in dem einen oder anderen Kriterium auffällig ist, jedoch kein Tumor zu befürchten ist. Zum Beispiel können sich Leberflecken oder Warzen entzünden und auf den ersten Blick für den Nichtspezialisten gefährlich aussehen. Der geschulte Arzt wird dann den beunruhigten Patienten schnell über die Gutartigkeit der Hautveränderungen aufklären.
Abschließend möchte ich noch vor einem Vorgehen dringend warnen, das zwar nur noch selten vorkommt, aber sehr gefährlich ist. Lassen Sie sich bitte nie darauf ein, einen auffälligen Leberfleck mittels Laser oder anderen Methoden, die keine feingewebliche Untersuchung mehr erlauben, zu entfernen. Durch Lasertherapie, Elektrotherapie oder Vereisung (Kryotherapie) wird das möglicherweise bösartige Gewebe zwar zerstört, aber man weiß nie, ob alles entfernt worden ist und ob es sich nun um einen Tumor gehandelt hat oder nicht. Dann kann auch nicht gesagt werden, wie tief der Tumor gewachsen ist, und ob man in angrenzenden Lymphknoten noch nach Absiedelungen suchen muss. Deshalb empfehle ich jedem, möglichst jede auffällige Hautveränderung so zu entnehmen, dass sie auch noch untersucht werden kann und die klinische Diagnose des Arztes bestätigt wird. Dieses gilt zum Beispiel auch für Alterswarzen und andere Hautveränderungen, bei denen man sich nicht ganz sicher ist.